Jeder 3. AfD-Stadtrat will sein Wahlamt nicht antreten

Zur Stadtratswahl am 9. Juni 2024 warfen insgesamt 142 Kandidaten auf neun Listen (AfD, CDU, Freie Wähler, Die Linke, Grüne, SPD, Pirnaer Bürgerinitiativen, BSW und Liebscher für Pirna) ihren Ring in den Hut, um Wählerstimmen für einen der 26 Sitze im Pirnaer Stadtrat.

Kandidaten, die zur Stadtratswahl antreten, verpflichten sich, auch ihr Mandat anzutreten, falls sie gewählt werden. Jedoch will (oder kann) jeder Dritte auf der Liste der AfD gewählte Stadtrat sein Mandat nicht annehmen.

Da ist zu einem AfD-Oberbürgermeister Tim Lochner. Dieser war zur Stadtratswahl angetreten und wurde auch in den Stadtrat gewählt. Als Oberbürgermeister musste er sich nun zwischen Oberbürgermeisteramt mit Beamtenbezügen und Stadtratsmandat im Ehrenamt entscheiden, denn Oberbürgermeister dürfen nicht gleichzeitig Stadtrat sein – ein Umstand, dessen Herr Lochner sich vor der Stadtratswahl bewusst war. Haken dran.

Für AfD-Oberbürgermeister Tim Lochner springt aus der Liste der AfD Dolph Haupt ein. Er holte mit 168 Stimmen Platz 53 von 142 Kandidaten. Das entspricht 0,29 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Schneider vs. Schulz und Friedrich vs. Lang

Nun wollen (oder können) auch zwei weitere auf der Liste der AfD Gewählte ihr Stadtratsmandat nicht annehmen und machen damit Platz für zwei Nachrücker, von denen sich die Wähler mangels fehlender Stimmen eigentlich nicht im Stadtrat vertreten lassen wollten.

Dies betrifft zu einem Bernd Schneider, der für die AfD auf dem 17. Platz 665 Stimmen (1,15%) holte. Er könne aus gesundheitlichen Gründen sein Mandat nicht antreten, heißt es. Für ihn soll Oliver Schulz (Platz 54, 168 Stimmen, 0,29%) nachrücken.

Frau Katrin Friedrich landete auf dem 44. Platz mit 238 Stimmen (0,41%) und soll nun ersetzt werden durch Katrin Lang (Platz 55, 158 Stimmen, 0,27%). Frau Friedrich gibt als Grund für die Ablehnung des Mandates die Fürsorge für eine zu pflegende Familienangehörige an. 

Sowohl Bernd Schneider wie auch Katrin Friedrich teilten ihre Hinderungsgründe der Stadtverwaltung am 20.06.2024 schriftlich mit – Zufall, 11 Tage nach der Stadtratswahl.

Gründe, dass Amt nicht annehmen zu müssen können sein:

  • älter als 65 Jahre,
  • anhaltend krank,
  • bereits mindestens zehn Jahre ein Ehrenamt bekleidet hat,
  • wird in seiner Berufs- oder Erwerbstätigkeit oder in der Fürsorge für seine Familie erheblich behindert.

Der Stadtrat entscheidet in öffentlicher Sitzung am 27.08.2024 in der Herderhalle mehrheitlich darüber, ob tatsächlich einer der oben genannten wichtigen Hinterungsgründe glaubhaft vorliegen.

Warum der Wählerwille nicht im Vordergrund steht

Man könnte denken, dass die Kandidaten mit den meisten Stimmen in den Stadtrat mit seinen 26 Sitzen gewählt werden. Dem ist jedoch nicht so!

Das Listenwahlsystem lässt es zu, dass unabhängig von der Liste nicht die 26 Kandidaten mit den meisten Einzelstimmen in den Stadtrat gewählt sind. Es ist nicht entscheidend, wie viele Stimmen die einzelnen Kandidaten erreichen, sondern wie viele Stimmen ihre gesamte Liste einfährt.

So kommt es, dass Kandidaten gegen den Willen der Wähler (zu wenige Stimmen) Stadträte werden und demgegenüber Kandidaten mit deutlich mehr Stimmen es nicht in den Stadtrat schaffen.

Warum ist das so?

Bei der Auszählung der Stimmen wird nicht zuerst jeder Kandidat einzeln, sondern die Stimmen der Listen gezählt. Also: Wieviel Stimmen hat die Partei 1, die Partei 2, die Partei 3 und so weiter geholt.

Nehmen wir an, es wurden zur Wahl 40.000 Stimmen insgesamt abgegeben und die Partei 1 hat davon 20.000 (also die Hälfte), die Partei 2 ganze 10.000 (also ein Viertel) und die Partei 3 noch 5.000 (ein Achtel) Stimmen geholt. Die restlichen 5.000 haben die anderen Parteien eingefahren.

Bleiben wir bei Partei 1. Sie hat die Hälfte aller Stimmen geholt. Damit stehen ihr die Hälfte der 26 Sitze im Pirnaer Stadtrat zu – also 13.

Im zweiten Schritt wird ausgezählt, welche 13 Kandidaten auf der Liste der Partei 1 die meisten Stimmen haben. Diese ziehen in den Stadtrat ein – unabhängig davon, ob ein Kandidat der Partei 2 oder 3 mehr Einzelstimmen geholt hat.

Durch dieses Auszählsystem kann es passieren, dass ein Kandidat der Partei 2 mit 700 Stimmen nicht in den Stadtrat einzieht, obwohl er mehr Einzelstimmen hat, wie ein Kandidat der Partei 1.

Vier Kandidaten unter den Top-26 und dennoch nicht im Stadtrat

Dies betrifft einen Kandidaten der Partei Die Linke und drei Kandidaten der Freien Wähler:

  • Tilo Kloß (Die Linke), Platz 16 von 142 Kandidaten mit 667 Stimmen (1,15%)
  • Rocco Geißdorf (Freie Wähler), Platz 22 von 142 mit 560 Stimmen (0,97%)
  • Michael Roschig (Freie Wähler), Platz 23 von 142 mit 516 Stimmen (0,89%)
  • Prof. Dr. Thomas Gischke (Freie Wähler), Platz 24 von 142 mit 482 Stimmen (0,83%)

Was wäre, wenn die Stadtratswahl eine reine Personenwahl wäre

Wie der Pirnaer Stadtrat zusammengestellt wäre, wenn die 26 Sitze tatsächlich durch die Kandidaten mit den meisten Einzelstimmen besetzt werden würden – dazu gibt es hier in meinem Blog bald einen separaten Artikel. Eines sei schon jetzt verraten: Die Freien Wähler hätten die meisten Sitze im Stadtrat.

Freundliche Grüße,
Ihr André Liebscher – Ihr Stadtrat für Pirna


Es ist nicht egal! Es ist Deine Stadt!
André Liebscher – Ihr Stadtrat für Pirna


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